Dramaturgin Julia van der Horst im Gespräch mit Regisseurin Kai Anne Schuhmacher

Alle großen Leute sind einmal Kinder gewesen (aber wenige erinnern sich daran)

„Der kleine Prinz“ ist eine Novelle des französischen Schriftstellers und Piloten Antoine de Saint-Exupéry, die 1943 zeitgleich auf Französisch und Englisch erschien und sich schnell zu einem Klassiker der Literatur entwickelte. So wurde sie seither auch in über 240 Sprachen übersetzt und für zahlreiche Bühnen-, Film- und Audioproduktionen adaptiert. Zu Weihnachten spielen wir Pierangelo Valtinonis 2022 uraufgeführte Kinderoper „Der kleine Prinz“.


Dramaturgin Julia van der Horst im Gespräch mit Regisseurin Kai Anne Schuhmacher

Julia van der Horst: „Der kleine Prinz“ ist ein allgegenwärtiges Werk, es ist neben der Bibel sogar das am meisten übersetzte Buch der Welt. Die Geschichte des Prinzen bewegt uns also. Was beschäftigt dich an diesem Stoff?

Kai Anne Schuhmacher: „Der kleine Prinz“ ist für mich ein Stoff , der sowohl für Kinder als auch für Erwachsene funktioniert - vielleicht beinhaltet er sogar noch mehr tiefgründiges für letztere. Die Geschichte rührt an den grundsätzlichen philosophischen Fragen des menschlichen Daseins: Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin, wenn wir sterben? Was passiert mit dem ‚Ich‘ wenn es nicht mehr Kind, sondern Erwachsener ist? Was bedeuten Liebe und Freundschaft für den Sinn des Lebens?

Julia van der Horst: Solch große Themen führen natürlich auch dazu, dass es unzählige Antworten und Lesarten gibt, vom „kleinen Prinzen“ als einfaches Kitschmärchen, zum Prinzen als Jesusfigur, über Science-Fiction Deutungen. Wie ist deine Herangehensweise?

Kai Anne Schuhmacher: Das Zauberhafte an der Geschichte ist, dass jeder von uns ein wenig des kleinen Prinzen in sich trägt, auch noch als Erwachsener. Der Dialog des Piloten mit dem kleinen Prinzen steht für mich für den Dialog des Erwachsenen mit seinem inneren Kind. Der Pilot befindet sich in meiner Lesart an einer Art Schwelle zwischen zwei Welten: Einerseits ist er alleine in der Wüste gestrandet und somit Teil dieser Welt, andererseits steht er aber am Anfang der Geschichte auch bereits mit einem Fuß im Reich des Todes. Diese Endgültigkeit lässt noch einmal im Dialog mit dem kleinen Prinzen aufflackern, was wirklich wichtig im Leben ist.

Julia van der Horst: Wirklich wichtig sind dem Prinzen ja auch sein Planet, der Asteroid B 612, und seine sprechende Rose. Wie wird sich diese fantastische Ebene in der Inszenierung widerspiegeln?

Kai Anne Schuhmacher: Für mich, die ich oft an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Sparten arbeite, waren diese fantastischen Orte und Figuren besonders reizvoll. Gerade die Charaktere wie die Rose oder der Fuchs lassen sich nämlich wunderbar mit Puppen darstellen. Wir werden diese magische Welt mit Elementen des Objekt- und Figurentheaters, aber auch mit choreographischen Mitteln umsetzen. Das Kostümbild ist ebenfalls geprägt von einer Mischung aus reiner Kleidung und dem Spiel mit Objekten.

Julia van der Horst: Die Geschichte endet mit dem Tod des Prinzen, der aber auch als eine Reise nach Hause interpretiert werden kann. Was bedeutet diese Reise für deine Deutung?

Kai Anne Schuhmacher: Der Tod gehört genauso zum Leben dazu wie das Leben selbst. Leben und Erneuerung gehören zu einem Kreislauf, der auch das Sterben beinhaltet. Leben und Tod gehören zusammen. Die Geschichte des kleinen Prinzen ist für mich ein tröstlicher Umgang mit diesem Thema. Für mich spielt die Geschichte in den letzten Momenten des Lebens des Piloten – doch es endet nicht tragisch. Vielmehr wird die Möglichkeit eines weiteren Universums, eines Neuanfangs gegeben. Es geht gewissermaßen auch um die Möglichkeit der Wiedergeburt an einem besseren Ort. Das soll aber nicht zu esoterisch klingen, sondern eher eine Möglichkeit öff nen, sich selbst die Frage zu stellen: Wo würde ich gerne hingehen, wenn mein Leben auf diesem Planeten zu Ende ist?


Der kleine Prinz
Familienoper zur Weihnachtszeit von Pierangelo Valtinoni / Deutsche Erstaufführung der Originalfassung / Libretto von Paolo Madron / nach einer Erzählung von Antoine de Saint- Exupéry / Deutsch von Hanna Francesconi / ab 5 Jahren


MUSIKALISCHE LEITUNG Johannes Zahn, Nicolas Kierdorf
REGIE Kai Anne Schuhmacher
BÜHNE & KOSTÜM Camilla Hägebarth
DRAMATURGIE Julia van der Horst
Premiere am 01. Dezember 2024 / 16:00 Uhr / Großes Haus
Weitere Termine am 05., 06., 07., 09., 10., 11., 15., 16., 17., 20., 21., 26., 29. und 30. Dezember