Autor und Regisseur Michel Decar spricht im Gespräch mit Schauspieldirektor Alexander Kohlmann über sein neues Stück, das er am 20. Dezember in den Kammerspielen zur Uraufführung bringen wird.
Alexander Kohlmann: Michel, in „Interviews mit Bäumen“ erzählst Du von den zwei Hollywood-Superstars Celeste Cipollini und Bradley Everett, die in einem deutschen Wald den fiktiven Film „Beyond“ drehen. Gab es reale Vorbilder für die beiden Figuren?
Michel Decar: Ja, tatsächlich habe ich mich lange Zeit mit Leonardo DiCaprio und seinem Bild in der Öffentlichkeit beschäftigt. Was mich an ihm interessiert hat, war die Kombination aus seinem fast schon religiösen Status als globaler Superstar und seiner Inszenierung als Climate Warrior in den Medien. Das fand ich schon sehr spannend. Als ich dann begonnen habe, das Stück zu schreiben, habe ich auch versucht Leonardo DiCaprio als konkrete Person auftreten zu lassen, aber schnell festgestellt, dass mich das auf die falsche Fährte führt und in meiner Fantasie eher einengt. Ich habe gemerkt, dass es gar nicht die Person DiCaprio war, die mich interessiert hat, sondern das Prinzip DiCaprio. Deswegen habe ich mich dafür entschieden, zwei Superstars neu zu erfinden: Die flamboyante Diva Celeste Cipollini und den sensiblen Hollywood-Beau Bradley Everett.
Alexander Kohlmann: In dem fiktiven Film soll es um die Folgen des „Klimawandels“, um „Nachhaltigkeit“ und „Spiritualität“ gehen, was ja eigentlich ein ehrenwertes Anliegen ist. Was ist falsch an diesem Filmdreh?
Michel Decar: Erstmal gar nichts. Das Anliegen an sich ist absolut ehrenwert, jedoch dauert es nicht lange, bis sich die Egos der Künstlerinnen und Künstler zu Wort melden und das edle Vorhaben sabotieren. Außerdem gibt es dann noch gewisse ökonomische Interessen, die den ökologischen im Wege stehen und so weiter. Recht schnell wird also klar, dass es gar nicht so einfach ist, konkrete Umwelt-Themen mit der millionenschweren Unterhaltungsindustrie in Einklang zu bringen ohne gewisse Abstriche zu machen. Moral und Show: ein schwieriges Paar.
Alexander Kohlmann: Geht es Dir auch um eine Kritik an der Kulturindustrie, zu der ja auch das Theater gehört?
Michel Decar: Nun ja, sagen wir mal so: Es lässt sich in letzter Zeit durchaus beobachten, wie sich manche Theaterleute öffentlich positionieren und politische Botschaften senden. Man schmeißt sich für bestimmte Themen inbrünstig ins Zeug, und unterscheidet auch in seiner Arbeit kaum noch zwischen Kunst und Aktivismus. Doch schon kurze Zeit später sind dann plötzlich ganz andere Themen aktuell. Und die Karawane zieht weiter. Dieses Verhalten kann man - je nach Perspektive - als normal empfinden oder als scheinheilig. Sicherlich jedoch als aktuelles Symptom unserer Kulturindustrie.
Alexander Kohlmann: Es gibt in Deinem Stück auch zwei normale Menschen, die in einem starken Kontrast zu den Hollywoodstars stehen. Wie unterscheiden sie sich?
Michel Decar: Im Prinzip unterscheiden die sich in ihrem Verhalten gar nicht von diesen Superstars. Das zu zeigen, war mir besonders wichtig. Sie verheddern sich in dieselben Lebenslügen, verstricken sich in denselben Wiedersprüchen. Nur der Maßstab ist ein anderer. Was aber bleibt ist das Prinzip: Nach oben buckeln, nach unten treten. Und am Ende kämpft jeder für sich allein.
Alexander Kohlmann: Am Schluss deines Stückes fliegt ein Privatjet aus Deutschland Richtung Los Angeles, der deutsche Wald bleibt zurück. Was passiert während dieses surrealen Flugs?
Michel Decar: Das kann ich leider nicht erzählen, ohne das Ende des Stückes zu verraten. Ich finde, die Leute sollen sich das jetzt mal selbst ansehen. Die Premiere ist am 20. Dezember 2024 am Staatstheater.
Interviews mit Bäumen (UA)
Schauspiel von Michel Decar / Uraufführung / ab 14 Jahren
REGIE Michel Decar
BÜHNE & KOSTÜM Jana Wassong
VIDEO & SOUND Bastian Gascho
DRAMATURGIE Alexander Kohlmann
Premiere am 20. Dezember 2024 / 19:30 Uhr / Kammerspiele